Alexander Ruhe:
Der gleich zweimal verschollene
Frankfurter Stadtplan Merians von 1631.Dezember 2019
Ein
Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie
Wirklich
verschollen war sie nicht, die großartige Stadtansicht Matthäus Merians, der
schon gleich drei Jahre nach seinem Meisterstück von 1628 eine zweite Ausgabe
nachreichte, die die Fortschritte des Baues des Frankfurter Festungsgürtels
festhielt. Verschollen war er nicht, wohlverwahrt lag er jahrhundertelang in der
Großherzoglich Hessischen Hofbibliothek in Darmstadt, wohlverwahrt aber
unkatalogisiert, bis 1913 der Bauunternehmer, Phillipp Holzmann-Chef und
anscheinend auch Hobbyhistoriker Hermann Ritter (1851-1918) ihn
fand, teilweise abfotografierte und in einer Frankfurter Zeitschrift einen
kurzen Artikel dazu veröffentlichte. Möglicherweise ist der im Jahr darauf
folgende Ausbruch des Ersten Weltkrieges der Grund dafür, dass es dabei auch
blieb. Weiterhin ruhte Merians Stadtplan wohlverwahrt aber unkatalogisiert in
Darmstadt.
Ziemlich
genau 100 Jahre nach dessen Veröffentlichung stieß dann ich, bei meinen
Recherchen zur Frankfurter Zeitungsarchäologie auf Ritters Artikel, fand ihn
sehr interessant, zog eine Kopie davon - und dabei verblieb es dann auch.
Zumindest bis ich vor einigen Monaten beim Sortieren meiner Unterlagen wieder
diesen Artikel in die Hände bekam. Ich dachte, es wäre doch schön, die drei
Merianpläne von 1628, 1631 und 1636, die den Festungsgürtel von dessen Baubeginn
bis zur Fertigstellung zeigen, einmal nebeneinander zu legen. Ein Ding der
Unmöglichkeit, wie ich feststellen musste. Gibt es zwar etliche Abdrucke und
sogar ein Styropor-Modell des Planes von 1628, die anderen beiden Pläne machten
sich rar. Der 1628er Plan, war in Bruchstücken erst 1850/1861 wiederentdeckt worden -
unter großem Medienecho. Zwei der vier Teilstücke des Planes
waren noch in Frankfurt, aber genau die Hälfte, die die neue
Bastion am Friedberger Tor zeigt, fehlte und konnte erst 1909 - ebenfalls von
Hermann Ritter - in Paris wieder aufgefunden werden. Die Ausgabe von 1636 war
schon kurz nach der ersten "Merian-Euphorie" 1861 in Köln aufgetaucht, wurde
auch mehrfach
detailiert beschrieben, ich konnte aber keinen einzigen Abdruck in einer
späteren Veröffentlichung finden und von der 1631er Ausgabe fehlte, nach ihrer
ersten Beschreibung 1913, überhaupt jede Spur und so machte ich mich auf die
Suche nach diesen beiden Plänen.
In der Universitäts- und Landesbibliothek
Darmstadt wurde ich fündig. Immer noch unkatalogisiert, machte sich auf
mein Bitten hin, eine Bibliothekarin auf die Suche und fand ihn nach den
Beschreibungen des Stückes von 1913 auch tatsächlich. Jetzt wurde er natürlich
katalogisiert und auch eingescannt, so dass er erstmals seit fast 380 Jahren
einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung steht.
Den Plan von 1636, der sich in Frankfurt befinden sollte, fand ich bisher
nur in Form eines recht kleinformatigen Fotos, ich bin aber weiter auf der Suche
nach dem Original und hoffe auch dieses veröffentlichen lassen zu können.
Die Stadtansicht von 1631 wird auch dadurch besonders, dass erstmals das
neue Rote Haus auf der Zeil dargestellt wurde (heute My Zeil,
davor Hauptpost).
Und eben dieses Rote Haus, das erst 1631 errichtet wurde und die drei
Bastionen legen auch die Datierung nahe, denn bezeichnet ist der Plan mit
"1628".
Man kann sich vorstellen, dass es genau dieser Merian Stadtplan von 1631
war, den der Schwedenkönig Gustav Adolf mit dabei hatte, als er sich im November
desselben Jahres zwei Tage Zeit nahm, um Frankfurts Mauern abzureiten, wobei er feststellte,
wie unzureichend der Verteidigungszustand der Stadt war, die bisher sechs Jahre
gebraucht hatte um gerade einmal drei Bastionen aufzuwerfen, die im
Grundwasserschlamm auch noch immer wieder wegrutschten. Die von Gustav Adolf,
dem "Löwen aus Mitternacht" angeordnete Fronarbeit aller Frankfurter Bürger,
sorgte dann dafür, dass die restlichen Bastionen drei Jahre später standen. Am
Ende hatte Frankfurts Befestigung dreimal soviel gekostet, wie eigentlich
geplant, aber so macht man das ja bis heute.
Nach der Ausgabe von 1636, mit dem vollendeten Bastionenkranz und dem 1635
durch kaiserliche Kanonen in Schutt und Asche gelegten Ullrichstein, und
der, ebenfalls 1635 durch Frankfurter Kanonen zerstörten Windmühle, kam dann erst mal lange nichts mehr
von den Merians. 1649, ein Jahr nach Ende des Dreißigjährigen Krieges und ein
Jahr vor dem Tode des damals schon schwer kranken Matthäus Merian, kam noch
einmal ein Stadtplan heraus, der sich aber nur durch die geänderte Jahreszahl
von der 1636-Ausgabe unterscheidet. Erst 1682 gab es dann eine Neuauflage - auf
der man erstmals die neue Katharinenkirche und auch das neue Wachgebäude, die Hauptwache sehen konnte.
Der Frankfurter Altstadt-Maler und damalige Besitzer der Südhälfte des
Merian-Planes von 1628, Theodor Reiffenstein 1850 über die in
den Plan von 1682 eingestochene Katharinenkirche: "Schlechter und unverständiger
als den Neustich dieser Kirche kann man sich wohl nichts denken und in dem
selben Charakter sind leider auch alle späteren Veränderungen vorgenommen ..."
Auch der neue Turm/Dachreiter der Barfüßerkirche sieht auf dem Plan von
1682 aus, als gehöre er nicht dazu. Da der Dachreiter aber erst 1685 ersetzt
wurde, scheint es sich hier um eine nachträgliche Korrektur des Planes von 1682
zu handeln. Allerdings ist mir kein 1682-Merianplan mit der neuen
Katharinenkirche und der alten Barfüßerkirche bekannt und so harrt der wohl noch
seiner Entdeckung.
Der Ullrichstein vor und nach den Kämpfen von 1635 mit dem nun von
Wasser umgebenen Schau-Main (1631 / 1682)
Die Windmühle lag nun im Schussfeld der neuen Bastion und wurde, als der
Besitzer sich weigerte, sie abzureißen, schon vor den Kämpfen von Frankfurter
Kanonen zerstört. Adolf von Holzhausen kämpfte also gegen Windmühlen. Der
Merian-Mühle von 1628/31 erstaunlich ähnlich sieht übrigens in der in Frankfurt
erschienenen deutschen Erstveröffentlichung von 1648 die Windmühle, gegen die
Don Quichotte kämpfte.
Den Plan von 1682 - er galt bis ins 19.Jahrhundert hinein als die
Erstausgabe - findet man gelegentlich in Veröffentlichungen, auch gerahmt im
Antiquitätenhandel. Den Bestseller unter den ja auch dekorativen
Frankfurt-Ansichten der Merians stellt aber die Ausgabe von 1761 dar, sehr
erstaunlich, haben doch die Kupferstecher immer wieder die alten Druckplatten
umgraviert und gab es schon 1770 eine letzte Ausgabe (fehlender Sachsenhäuser
Brückenturm und fehlende Bockenheimer Pforte, die schon 1719 ausgebrannt war und
1765 als baufällige Ruine abgerissen wurde , auf
dem Plan von 1761 aber noch vollkommen intakt zu sehen ist), von der in Frankfurt noch mehr als
hundert Jahre lang Abdrucke gezogen wurden, die aber trotzdem heute nur noch
schwer auffindbar ist.
die Bornheimer Pforte Fahrgasse/ Töngesgasse /Ecke Konstablerwache auf den
Plänen von 1631 und 1770
außer der ab 1770 fehlenden Bornheimer Pforte haben die schweren
Stadtbrände von 1711-1719-1721
anscheinend keinen Niederschlag in den Stadtplänen der Merians gefunden.
Die 1617 errichtete und beim "Christenbrand " 1719 zerstörte Fettmilchsäule
in der Töngesgasse /Ecke Hasengasse
auf den Stadtplänen von 1631 und 1770
Auch die Bastionen Frankfurts haben in den verschiedenen Merian-Plänen
einige Metamorphosen durchgemacht, hier zum Beispiel die Südflanke
Sachsenhausens:
1631 und mit vollwertigen Bastionen 1636
1682 mit der Realität wohl eher entsprechendem Vorwerk des Affentors
und 1770 mit der wieder zurückgenommenen, wohl nie gebauten Bastion vor der
Oppenheimer Pforte
Der Frankfurter Kunstsammler und (allererste) Kunsthistoriker Henrich
Sebastian Hüsgen 1790 über die späten Merian-Pläne: an diesen..." hat der
Unverstand genagt und Veränderungen neuerer Zeiten von elenden Händen hinein
gebracht, die teils Mitleiden erwecken, teils lächerlich sind, es stellet
jetzo weder das ältere noch das neuere Frankfurt vor, es ist ein Zwischending
ohne allen Gebrauch."
Seit ich diesen Artikel veröffentlicht habe, habe ich immer wieder Anfragen
erhalten, ob der Merian-Stadtplan, den man vom Großvater geerbt habe, ein
Original sei, hier zur Info: Ein originaler Merian-Plan von Frankfurt, sollte
105x73cm messen und aus vier zusammengeklebten Einzelblättern bestehen. Sollte
Ihr Plan andere Maße haben und/oder nur aus einem Blatt bestehen, dann ist er
wohl eine spätere Kopie. Sollte ihr Plan aus vier Teilen bestehen und Frankfurt
im Zustand von 1628 zeigen, aber etwas größer sein, als die oben angegebenen
Maße, dann haben Sie vielleicht eines der 1911 gedruckten Faksimile-Exemplare
und von denen gibt es auch nur 230.
Im Folgenden nun erstmals alle Stadtansichten der Merians nebeneinander,
zum direkten Vergleich:
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